Kastration – pro & contra

Wenige Themen in der Hundehaltung werden so kontrovers diskutiert wie die Kastration. Nachfolgend haben wir einige Fakten für Dich zusammengestellt, damit Du für Deinen Vierbeiner diesbezüglich eine gut informierte Entscheidung treffen kannst.

Kastration oder Sterilisation?

Vielen Menschen ist gar nicht bekannt, dass „Kastration“ und „Sterilisation“ nicht das Gleiche sind. Oft trifft man auch auf den Irrglauben, dass „Kastration“ die Unfruchtbarmachung des männlichen, „Sterilisation“ die des weiblichen Tieres bezeichne. Dabei handelt es sich um zwei unterschiedliche Ansätze: Bei der Kastration werden die Keimdrüsen (Eierstöcke und ggfs. auch die Gebärmutter bei der Hündin, Hoden beim Rüden) entfernt und damit nicht nur die Fortpflanzungsfähigkeit, sondern auch der Geschlechtstrieb unterbunden.

Bei einer Sterilisation würden die Geschlechtsorgane hingegen vollständig im Körper belassen und lediglich die Samenleiter beim Rüden bzw. die Eileiter bei der Hündin durchtrennt. Damit sind die betreffenden Tiere zwar unfruchtbar, der Geschlechtstrieb würde davon aber nicht beeinflusst. Rüden wären also nach wie vor an heißen Hündinnen interessiert (und würden diese auch – wenngleich „erfolglos“ decken), Hündinnen würden weiterhin regelmäßig läufig werden.

Da die meisten Hundehalter sich von einer solchen Operation nicht nur die Verhinderung der Fortpflanzung, sondern auch eine Verhaltensänderung versprechen, werden Hunde üblicherweise kastriert und nicht sterilisiert.

Rechtliche Grundlagen

Für alle Hundehalter (und Tierärzte) gelten die Vorgaben aus dem deutschen Tierschutzgesetz. Darin steht unter anderem, dass „das vollständige oder teilweise Amputieren von Körperteilen oder das vollständige oder teilweise Entnehmen oder Zerstören von Organen oder Geweben eines Wirbeltieres“ verboten ist. Damit sind sowohl Kastration als auch Sterilisation zunächst einmal nicht gestattet. Es gibt jedoch Ausnahmen, nämlich „wenn der Eingriff im Einzelfall nach tierärztlicher Indikation geboten ist“. Solche medizinischen Indikationen können beispielsweise eine Gebärmutterentzündung oder krankhafte Veränderungen an den Eierstöcken oder Hoden sein. Aber auch bei Hündinnen, die nach ihren Läufigkeiten an ausgeprägten Scheinträchtigkeiten leiden, bei hormonabhängigen Tumoren oder Stoffwechselproblemen wie Diabetes kann eine Kastration medizinisch geboten sein. „Prophylaktische“ Kastrationen z. B. zur Vorbeugung hormongesteuerter Gesäugetumoren fallen übrigens nicht in diese Gruppe.

Eine weitere im Tierschutzgesetz genannte Ausnahme stellt die „Verhinderung der unkontrollierten Fortpflanzung“ und die Unfruchtbarmachung des Tieres „zur weiteren Nutzung oder Haltung“ dar. Während bei Freilaufhaltung von Katzen die „Verhinderung unkontrollierter Fortpflanzung“ ein stichhaltiges Argument bietet, so ist bei der hierzulande üblichen Hundehaltung davon auszugehen, dass die Vierbeiner so weit unter Aufsicht stehen, dass eine „unkontrollierte Vermehrung“ zuverlässig durch andere Mittel unterbunden werden kann. Ausnahmen stellen womöglich Rudelhaltungen in Tierheimen o. ä. dar. Und während bei Pferden die Kastration von Hengsten „zur weiteren Nutzung oder Haltung“ als Reitpferd oft unerlässlich ist, ist bei Hunden die Nutzung und Haltung intakter Individuen üblicherweise nicht nur möglich, sondern üblich. Etwaige Vorgaben Deines Hundesitters, nur kastrierte Vierbeiner betreuen zu wollen, werden für diese Argumentation nicht ausreichen.

Langer Rede kurzer Sinn: Damit Dein Tierarzt Deinen Hund kastrieren darf, muss eine entsprechende Indikation vorliegen. Diese kann entweder medizinischer Natur sein, oder aber der Nachweis, dass in Eurer individuellen Situation eine unkontrollierte Vermehrung nicht zu unterbinden ist oder die Haltung oder Nutzung des intakten Vierbeiners unmöglich ist.

Tiere aus dem Tierschutz

Wenn Dein Hund aus dem Tierschutz stammt, findet sich möglicherweise eine „Kastrationsklausel“ im Übernahmevertrag. Mit dieser soll der neue Eigentümer verpflichtet werden, seinen Hund innerhalb einer gewissen Zeitspanne kastrieren zu lassen. Solche Vorgaben entsprechen jedoch nicht dem Tierschutzgesetz und sind somit nichtig.

Wie läuft eine Kastration ab?

Für die Kastration muss Dein Hund in Narkose gelegt werden. Deshalb sollte er nüchtern (mindestens acht Stunden vorher nichts zu Fressen bekommen haben), wenn Du ihn zum OP-Termin bringst. Moderne Tierarztpraxen werden Deinem Vierbeiner nach der Eingangsuntersuchung zunächst eine Spritze geben, bis er einschläft, und ihn dann an eine Inhalationsnarkose anschließen. Diese hat der Vorteil, dass sie während der Operation besser steuerbar ist und Dein Vierbeiner auch schneller wieder aufwacht, wenn alles vorbei ist. Zunächst wird der Operationsbereich rasiert und gesäubert. Dann wird beim Rüden ein Schnitt vor dem Hodensack gesetzt, die Samenleiter und Blutgefäße abgebunden und die Hoden entfernt.

Bild zur Kastration

Bei der Hündin wird die Bauchhöhle aufgeschnitten und die Eierstöcke - oft in Verbindung mit der Gebärmutter - werden chirurgisch entfernt. Einige Tierärzte führen auch eine sogenannte minimalinvasive Kastration per Endoskop durch. Das hat den Vorteil, dass die Bauchwunde viel kleiner ausfällt und schneller abheilt. Allerdings können bei einer endoskopischen Kastration nur die Eierstöcke entfernt werden, die Gebärmutter verbleibt in der Hündin.

Anschließend werden die Operationswunden vernäht, und die Narkose beendet. Sobald Dein Vierbeiner aufgewacht und nicht mehr benommen von der Narkose ist, kannst Du ihn schon wieder mit nach Hause nehmen. Wichtig in den folgenden Tagen ist, dass sich Dein Hund nicht an der Operationswunde zu schaffen machen kann. Deswegen solltest Du ihm unbedingt einen Halskragen oder Body anziehen, um ein Belecken der Wunde zuverlässig zu unterbinden. Auch sollte Dein Hund ein paar Tage an der Leine gehen und möglichst nicht springen. Wenn die Wundheilung planmäßig verläuft, können meist schon zehn Tage nach der Operation die Fäden gezogen werden.

Welche körperlichen Auswirkungen hat eine Kastration?

Die wichtigste Auswirkung einer Kastration ist, dass die kastrierten Tiere nicht mehr fortpflanzungsfähig sind. Während dieser Effekt bei der Hündin nach Entfernung der Eierstöcke (und Gebärmutter) unmittelbar eintritt, können sich beim Rüden noch vereinzelt befruchtungsfähige Spermien im Samenleiter befinden und der Rüde theoretisch noch zwei oder drei Wochen nach der Kastration erfolgreich decken.

Es versteht sich von selbst, dass bestimmte Erkrankungen, die mit den entfernten Geschlechtsorganen in Zusammenhang stehen, nicht mehr auftreten können. Dazu gehören beispielsweise Hodentumoren oder Gebärmutterentzündungen. Auch in Zusammenhang mit den Geschlechtshormonen stehende Gesundheitsprobleme wie der Vorhaut-Katarrh, eine Vergrößerung der Prostata oder hormonabhängige Gesäugetumoren treten bei kastrierten Tieren kaum noch auf.

Umgekehrt haben verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen gezeigt, dass bei kastrierten Hunden ein erhöhtes Risiko für Harn-Inkontinenz, Gelenksprobleme und bestimmte Tumorerkrankungen besteht.

In der Folge einer Kastration sind häufig auch weitere körperliche Veränderungen zu beobachten. So verlangsamt sich üblicherweise der Stoffwechsel und damit der Energieumsatz kastrierter Hunde. Bei Rüden schwindet durch die verringerte Ausschüttung an muskelaufbauendem Testosteron die Muskelmasse. Gleichzeitig steigert sich oft der Appetit, so dass die Hündinnen und Rüden in den Monaten nach einer Kastration nicht selten deutlich an Gewicht zulegen. Um dies zu vermeiden, solltest Du die Gewichtsentwicklung Deines Hundes nach der Kastration genau überwachen. Hilfreich ist es auch, entweder die Futtermenge gleich nach der Operation deutlich zu reduzieren oder auf eine energieärmere Kost umzustellen, zum Beispiel auf die „Light“-Variante des gewohnten Trockenfutters. Wenn Du es schaffst, dass Dein Hund nach der Kastration für drei Monate sein Idealgewicht hält, ist in die Gefahr der Entwicklung von Fettleibigkeit weitestgehend gebannt.

Es kann zudem gut sein, dass sich das Fell Deines Vierbeiners verändert. Das fällt besonders bei langhaarigen Hunden auf, die manchmal wieder eine Art „Welpenfell“ entwickeln. Dieses ist flauschiger und feiner als das Erwachsenenfell und neigt auch eher zum Verfilzen. Solltest Du solche Veränderungen beobachten, bekommst Du bestimmt in einem Hundesalon gute Tipps zur Fellpflege.

Welche Auswirkungen auf das Verhalten hat die Kastration?

Oft wird mit der Kastration auch die Hoffnung auf eine Verhaltensänderung verknüpft. Bei der Hündin bezieht sich das vor allem darauf, dass ihr Zyklus mit den Läufigkeiten und vor- und nachgelagerten Verhaltensänderungen (z. B. Scheinträchtigkeit) nicht mehr stattfindet. Hündinnen sind nach der Kastration daher in der Regel weniger Stimmungsschwankungen unterworfen und vorhersagbarer in ihren Verhaltensweisen. Allerdings sollte man nicht davon ausgehen, dass mit einer Kastration aggressive Verhaltensweisen bei Hündinnen reduziert werden. Ängstliches Verhalten wird nach einer Kastration sogar oft noch verstärkt.

Bei Rüden sinkt nach der Kastration der Testosteronspiegel, was bestimmte, im Rahmen des Fortpflanzungsverhalten auftretende Verhaltensweisen beeinflussen kann.

So wird ein kastrierter Rüde meistens weniger stark auf läufige Hündinnen reagieren und damit oft auch weniger zum Streunen neigen. Auch das Markierverhalten kann sich vermindern. Häufig wird auch das Aggressionsverhalten gegenüber anderen Rüden deutlich weniger. Allerdings sind die wahrnehmbaren Veränderungen umso ausgeprägter, je früher die Kastration stattfindet. Ältere Rüden, insbesondere wenn sie schon deckerfahren sind, werden auch kastriert läufige Hündinnen besteigen. Ebenso werden Rüden, die schon mehrfach positive Lernerfahrungen bei Raufereien mit anderen Hunden gemacht haben, dieses Verhalten nicht immer ablegen.

Hunde, die vor dem Erreichen der Geschlechtsreife kastriert werden, behalten oft ein "jugendliches" Verhalten bei. Das kann einerseits zu weniger "Reibereien" bei Sozialkontakten mit anderen Hunden führen, andererseits aber auch begünstigen, dass der kastrierte Vierbeiner vermehrt von anderen Hunden belästigt oder gar angegriffen wird. Insbesondere bei Rüden kann es außerdem vorkommen, dass sich deren Geruch ändert und sie von anderen Hunden als sexuell attraktiv wahrgenommen werden.

Wann ist der beste Zeitpunkt?

Einen allgemeingültigen "besten Zeitpunkt" für die Kastration von Hunden gibt es nicht. Während bei der Unfruchtbarmachung von Straßenhunden gilt "je früher, desto besser", sollte man bei unseren gut behüteten Haushunden etwas differenzierter vorgehen. Liegt eine medizinische Indikation vor (z. B. Gebärmutterentzündung), sollte der Hund natürlich unabhängig vom Lebensalter sofort kastriert werden.

Soll die Kastration unabhängig von einer medizinischen Indikation vorgenommen werden, so wird empfohlen, damit zu warten, bis der Vierbeiner weitestgehend körperlich und psychisch ausgereift ist. Bei kleinen und mittelgroßen Hunderassen ist das in der Regel mit ungefähr einem Jahr der Fall, bei größeren Hunderassen mit etwa 18 Monaten und bei Riesenrassen nicht vor dem Alter von zwei Jahren. Hündinnen sollten mindestens eine, besser zwei Läufigkeiten hinter sich haben.

Bild zur Kastration

Inzwischen gibt es sogar für einige Hunderassen individuelle Empfehlungen, ab welchem Zeitpunkt das kastrationsbedingte Risiko für Gelenksprobleme, Inkontinenz und Tumorerkrankungen geringer wird. So wird beispielsweise für Boxer, Berner Sennenhunde, Cocker Spaniel, Shelties und Deutsche Schäferhunde geraten, diese frühestens mit zwei Jahren kastrieren zu lassen. Für Dobermann-Rüden und Golden Retriever-Hündinnen wird aufgrund des deutlich erhöhten Risikos kastrierter Rassevertreter für solche Probleme sogar komplett von einer (nicht medizinisch notwendigen) Kastration abgeraten.

Unabhängig vom Lebensalter sollte die Kastration bei der Hündin idealerweise genau zwischen zwei Läufigkeiten stattfinden. In dieser Zeit sind die Fortpflanzungsorgane der Hündin wenig durchblutet, was das Operationsrisiko reduziert.

Bei Rüden, die aufgrund vornehmlich hormongesteuerter Verhaltensweisen kastriert werden sollen, sollte dies möglichst früh nach dem Eintritt der Geschlechtsreife geschehen, damit das Verhalten nicht dauerhaft durch positive Lernerfahrungen gefestigt wird.

Welche Alternativen gibt es?

Wenn man sich Veröffentlichungen einiger Tierschutzorganisationen oder Hundetrainer anschaut, könnte man glauben, die Kastration von Hunden sei die Normalität und die Haltung intakter Hunde eine ungewöhnliche Ausnahme. Dies ist jedoch nicht der Fall - weder für das problemlose Zusammenleben noch zur Verhinderung unkontrollierter Fortpflanzung ist in Mitteleuropa eine Kastration erforderlich. Eine Kastration ersetzt vor allem nicht eine konsequente Erziehung!

Um sich die Auswirkungen einer Kastration auf den eigenen Hund "auf Probe" anzuschauen, gibt es seit einiger Zeit für Rüden den sogenannten "Kastrationschip". Dieser vermindert die körpereigene Testosteronproduktion deutlich und damit die Zeugungsfähigkeit und den Fortpflanzungstrieb des Hundes für 6 bis 12 Monate. Nach diesem Zeitraum kannst Du dann entscheiden, ob die kastrationsbedingten Veränderungen Deines Hundes so wünschenswert sind, dass Du eine chirurgische Kastration durchführen lassen möchtest. Auch für Rüden, die gesundheits- oder altersbedingt keiner Operation mehr unterzogen werden können, wo aber eine Kastration (beispielsweise wegen hormonabhängiger Tumore) sinnvoll wäre, stellt der Chip eine gute Alternative dar.

Bei Hündinnen gibt es zwar die Möglichkeit, Läufigkeiten durch Hormongabe zu verschieben oder zu unterdrücken. Das ist jedoch mit erheblichen Risiken verbunden, da nach einer solchen Behandlung häufig schwere Gebärmutterentzündungen auftreten können. Daher sollte diese Maßnahme nur in Ausnahmesituationen stattfinden, nicht aber regelmäßig zur Vermeidung der Läufigkeitsanzeichen. Entgegen landläufigen Vorurteilen stellt die Hitze der Hündin im Regelfall keine große Herausforderung dar und ist dem Hundehalter durchaus zumutbar.

Zusammenfassung

Wie Du siehst, ist die Kastration bei Hunden weit mehr als eine "übliche Servicemaßnahme", die unreflektiert vorgenommen werden sollte. Vielmehr gilt es, die Vor- und Nachteile bewusst gegeneinander abzuwägen und die rechtlichen Vorgaben einzuhalten. Bevor Du Dich also zu einer Kastration entscheidest, solltest Du Dich von einem kompetenten Tierarzt oder Hundetrainer ausführlich beraten lassen.

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Barbara Thiel

ÜBER DIE AUTORIN: BARBARA THIEL

Barbara Thiel ist Tierärztin mit Schwerpunkt Tierernährung und arbeitet in der Produktentwicklung der Bewital petfood GbmH & Co.KG. Dort ist sie außerdem fachliche Ansprechpartnerin des BELCANDO® Experten Clubs für Züchter und Hundetrainer und leitet das Schulungswesen. Sie hält derzeit zwei Greyhounds und einen Border Terrier, ist Mitglied im Ausschuss für Zucht und Kontaktperson für die International Partnership for Dogs (IPFD) im Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH).

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